Konrad Sommer

(1915-2012)

Besprechungen einzelner Zeichnungen

1990-1995



Ansicht einer Bergwand, um 1990
blaue Tinte auf bedrucktem Papier, 18,5 x 26,1 cm

 Konrad Sommer: Ansicht einer Bergwand, um 1990, blaue Tinte auf bedrucktem Papier, 18,5 x 26,1 cm
Konrad Sommer: Ansicht einer Bergwand, um 1990, blaue Tinte auf bedrucktem Papier, 18,5 x 26,1 cm

Das Blatt besteht aus kariertem Papier mit dem Aufdruck einer laufenden männlichen Figur und einem angeschnittenen Logo an der rechten Oberkante. Das Papier dürfte ursprünglich zu einem Block gehört haben, der im Hochformat angelegt war. Für die Zeichnung wurde das Blatt jedoch gedreht und im Querformat eine Zeichnung in blauer Tinte darauf gefertigt. Mit feiner Feder zeichnete Sommer eine Gebirgswand, vor der durch Umrisse und teilweise auch durch eine zarte Binnenzeichnung Bäume verschiedener Höhe angedeutet sind. Durch Lasuren mit Wasser sind sowohl Zeichenlinien des Massives als auch der Bäume teilweise aufgelöst worden. Es entstanden zufällige Verlaufseffekte zwischen Wasser und der Tinte, die Nebel assoziieren lassen. Auffällig ist vor allem ein auf der Spitze stehende dreieckiger Fleck auf der rechten Blatthälfte. Die Zeichnung besitzt einen zarten Charakter. Eine Spannung ist spürbar zwischen den feinen Linien und deren Auflösung mit Wasser. Zeichnerische Elemente sich mit malerischen Effekten und erzeugen ein Landschaftsbild, in dem ständige Veränderung als Hauptcharakteristikum aufscheint.



Amper, 16.03.1991
Tusche, Rohrfeder auf Papier, 22,2 x 31,2 mm

 Konrad Sommer, Amper, 16.03.1991, Tusche, Rohrfeder auf Papier, 22,2 x 31,2 mm
Konrad Sommer, Amper, 16.03.1991, Tusche, Rohrfeder auf Papier, 22,2 x 31,2 mm

Die variantenreichen Einsatzmöglichkeiten der Tusche reizten Sommer sich mit diesem Zeichenmittel auseinanderzusetzen. Das hier besprochene Blatt ist mit Bleistift auf den 16. März 1991 datiert und mit der Betitelung „Amper“ versehen. In der Blattmitte erkennt man einen Baum oder ein größeres Gebüsch, der durch vielfältig gebrochene, sich in der Höhe verbreiternde Strichfolgen wiedergegeben ist. Teilweise überdecken dunkele Tuscheflecken oder hellgraue Lasuren die sich nach oben explosionsartig ausweitende Rohrfederstriche. Dahinter sind entlang einer Horizontlinie weitere Flecken, Strichbündelungen und Verwischungen von dunklen schwarzen bis hellgrauen Flecken aufgereiht, die weitere Bäume und Gewächse abbilden. Den Boden im Vordergrund strukturieren einige wellenartig verlaufende Strichgebilde, Linien und Flecken. Die Amper selbst oder ein Flussufer sind nicht wahrzunehmen. So handelt es sich bei der Skizze um einen flachen Landschaftsausschnitt, der wohl in der Nähe der Amper gelegen ist. Das reizvolle Zusammenwirken von Flecken und Strichen kann hier als Abbild einer zwar einfachen, doch in sich höchst komplexen Landschaft gesehen werden, in der das Chaos der gleichzeitig ablaufenden Naturprozesse für den Menschen nicht erfassbar sind.



Hochsommer, 4.7.1991
blauer Faserstift auf Papier, 19,2 x 28,8 cm

Konrad Sommer, Hochsommer, 4.7.1991, blauer Faserstift auf Papier, 19,2 x 28,8 cm
Konrad Sommer, Hochsommer, 4.7.1991, blauer Faserstift auf Papier, 19,2 x 28,8 cm

Das Blatt stellt ein Gewässer vor dem Gebirgszug des Herzogstandes und Heimgartens dar und zeigt damit einen der Osterseen zwischen Seeshaupt und Iffeldorf. Den Vordergrund charakterisieren nur wenige dünne Faserstiftlinien. Die Gewässerufer sind dagegen durch eine fast geschlossene Folge von kurzen und längeren Strichen charakterisiert. Zu beiden Uferseiten stehen Bäume, bzw. eine dichtere Bewaldung, die durch sich kräuselnde und sich vielfältig überlagernde Gebilde wiedergegeben werden. Im Himmel deuten wie im Vordergrund wenige locker gesetzte Umrisse einige Wolken an. Die Bezeichnung „Hochsommer“ in der unteren linken Blattecke kann als Titel aufgefasst werden, die Datierung 4.7.91 findet sich ebenfalls an der unteren Blattkante rechts. Obwohl als Zeichenmaterial ein kühl wirkender blauer Faserstift eingesetzt wurde, scheint die Luft durch die vielen kurzen, teils chaotisch gesetzten Striche zu vibrieren, und die Atmosphäre eines heißen Sommertages zum Ausdruck zu gelangen.



Ostersee, 4.7.1991
blauer Filzstift auf Papier, 19,5 x 28,0 cm, Sammlung Michael Gorkow

Konrad Sommer,  Ostersee, 4.7.1991, blauer Filzstift auf Papier, 19,5 x 28,0 cm,  Sammlung Michael Gorkow
Konrad Sommer, Ostersee, 4.7.1991, blauer Filzstift auf Papier, 19,5 x 28,0 cm, Sammlung Michael Gorkow

Die Zeichnung ist in blauem Filzstift auf leicht beigem Papier ausgeführt und besitz keine Bezeichnung. Rechts erkennt man eine größere Baumgruppe. Davor strukturieren einige Wellenlinien und geschwungenen Striche. Den Vordergrund. Das Seeufer, das durch verdichtete Umrandungen gekennzeichnet ist, zeichnet sich deutlich gegenüber der freistehenden Wasseroberfläche ab. Auf der gegenüberliegenden Seite des Gewässers wird durch Zickzacklinien und Strichgeflechte eine Bewaldung dargestellt, dahinter erkennt man in einer Linienabgrenzung die Alpenkette. Eine einzelne große Wolke beherrscht den linken oberen Teil des Himmels. Einzelne von diesem Wolkengebilde ausgehende Striche deuten wohl Lichtstrahlen an. Diese Zeichnung ähnelt in ihrer gesamten Auffassung und auch im Motiv der zuvor besprochenen Arbeit, die auf den 4.7.1991 datiert und mit „Osteresee“ bezeichnet ist. Daraus lässt sich schließen, dass beide Blätter am gleichen Tag entstanden sind, genauso wie eine weitere Arbeit, die anschließend hier vorgestellt wird. Welcher der Osterseen hier wiedergegeben ist, bleibt jedoch offen. Die Größe der Wasserfläche würde für den Großen Ostersee sprechen, auch wenn das Motiv des Herzogstandes und des Heimgartens nicht wahrzunehmen ist.



Ostersee, 4.7.1991
Kohle, Aquarell auf Papier, 19,9 x 27,9 cm, bez. u.l.: hell dkl., Hochsommer, u.l.: Ostersee 4.7.91.

Konrad Sommer, Ostersee, 4.7.1991,  Kohle, Aquarell auf Papier, 19,9 x 27,9 cm, bez. u.l.: hell dkl., Hochsommer, u.l.: Ostersee 4.7.91.
Konrad Sommer, Ostersee, 4.7.1991, Kohle, Aquarell auf Papier, 19,9 x 27,9 cm, bez. u.l.: hell dkl., Hochsommer, u.l.: Ostersee 4.7.91.

Wie die beiden zuvor besprochenen Blätter entstand diese Zeichnung laut der Beschriftung links ebenfalls am 4. Juli 1991 an einem der Osterseen. Um welches Gewässer der Seenkette es sich dabei handelt, bleibt offen. Zunächst skizzierte Sommer die landschaftliche Situation mit zügigen Strichen. Man sieht zwei höhere Bäumen links, das von kleineren Gebüschen gesäumte Ufer im Vordergrund, umfangreiche Schilfumrandung und weitere Vegetation am hinteren Seeufer. Während der Vordergrund bis auf wenige vertikale Striche und die Bezeichnungen frei bleibt, erkennt man im Himmel Wolken, die auf Grund ihrer unruhigen Struktur vielleicht ein Gewitter ankündigen. Eine zarte blaugrüne Lasur hebt das vordere Ufer und ein Teil der Flora links hervor. Faszinierend wie sicher die Kohlestriche die Landschaft lebendig einfangen. Sommer zeichnete und aquarellierte häufig kleinere Serien vor den Motiven, die ihn interessierten. Über die Jahre entwickelte er charakteristische Ortstudien, bei den jedoch die landschaftlichen Elemente frei variiert werden konnten.



Landschaftliche Skizze, um 1995
Faserstift auf Papier, 22,3 x 31,4 cm

 Konrad Sommer, Landschaftliche Skizze, um 1995, Faserstift auf Papier, 22,3 x 31,4 cm
Konrad Sommer, Landschaftliche Skizze, um 1995, Faserstift auf Papier, 22,3 x 31,4 cm

Das Blatt gehört zu den letzten zeichnerischen Arbeiten Sommers und kann auf Grund der sehr frei gesetzten Striche um 1995 eingeordnet werden. Der Künstler bildet hier nur noch Assoziationsfetzen ab. Man meint zwar auf den ersten Blick einige typischen Elemente der Landschaften Sommers wahrzunehmen, doch bleibt die Ausdeutung seltsam wage und unbestimmt. Der dunkel abgegrenzte Bereich in der oberen Blatthälfte, der von links bis zur Blattmitte reicht, könnte als ein Waldstück gedeutet werden. Vielleicht erkennen manche Betrachter darin aber auch eine Felswand? Der Bogen in der Bildmitte könnte einen Berg im Hintergrund wiedergeben und die vertikalen bez. diagonalen Striche rechts könnten ein Gebüsch auf einer leichten Erhöhung darstellen. Zwischen dem vermeintlichen Waldstück und dem Gebüsch liegt entweder ein Feld oder eine Wiesenfläche. Vielleicht ist jedoch hier auch der Verlauf eines Baches, bzw. Flusses oder eines anderes Gewässers angedeutet? In seinen späten Werken gelingt es Sommer Metaphern der Landschaft zu erzeugen. Die Zeichnung wirkt ungemein spontan und, meisterhaft in ihrer Reduktion. Es bleibt dem Betrachter überlassen, die verwirrenden Strichgebilden und die freien Flächen auszudeuten. Erst durch diesen Prozess des erkennenden Ordnens entsteht ein landschaftliches Gebilde in unserer Vorstellungskraft.